4. Anpassung eines CCD an den Spektralbereich weicher Röntgenstrahlung mittels eines Röntgenleuchtstoffs

In der Vergangenheit existierte ein Problem in der Detektion sehr harter Röntgenstrahlen. Diese durchdrangen den verwendeten Film, ohne ihn zu schwärzen. Der Ausweg bestand darin, einen Röntgenleuchtstoff auf den Film aufzubringen, der die Strahlung effektiv absorbierte und in nachweisbares Lumineszenzlicht konvertierte [10].

Dieses Konzept kann übernommen werden, um den CCD an den Bereich weicher Röntgenstrahlen anzupassen, indem ein Röntgenleuchtstoff unmittelbar auf den CCD aufgebracht wird. Die effektive Absorption der Strahlung gewährleistet den wichtigen Aspekt des Strahlenschutzes. Durch die direkte Beschichtung ist auch garantiert, daß möglichst viel der entstehenden Lumineszenzquanten auf den Chip gelangen, da der Raumwinkel von 2p vollständig genutzt wird.

Einer kurzen Übersicht einiger Leuchtstofftypen folgt die Auswahl eines im Rahmen dieser Arbeit zweckmäßigen Röntgenleuchtstoffs. Eine Betrachtung der zu wählenden Schichtdicke schließt sich an.

Abbildung 9

Abbildung 9: Beschichtung eines CCD mit einem Röntgenleuchtstoffpulver.

4.1. Röntgenleuchtstoffe

4.1.1. Aufbau

Bei den Röntgenleuchtstoffen handelt es sich um lumineszierende, anorganische Verbindungen, die auftreffende, ionisierende Strahlung wirkungsvoll in photographisch wirksame Lumineszenzstrahlung (sichtbar bzw. UV) umwandeln.

Die anregenden Röntgenphotonen werden vom Leuchtstoffgrundgitter photoelektrisch absorbiert, während für die Emission der Lumineszenzstrahlung in der Regel lokalisierte Leuchtzentren verantwortlich sind [10].

Bei der Anregung des Leuchtstoffs mit Röntgenphotonen, deren Energie größer als die Bandlückenenergie Eγ des Leuchtstoffs ist, werden Elektronen aus dem Valenzband oder tiefer liegenden Bändern in das Leitungsband gehoben. Die dabei entstehenden Elektronenfehlstellen (Löcher, Defektelektronen) werden sofort mit Elektronen aus höher liegenden Niveaus aufgefüllt. Auf diese Weise wandern die Löcher an den oberen Rand des Valenzbands. Haben sie diesen erreicht, so setzen die sich wie Träger einer positiven Ladung verhaltenden, thermalisierten Defektelektronen ihre Migration durch das Gitter fort, bis sie von negativ geladenen Störstellen eingefangen werden.

Im Leitungsband sind die Elektronen frei beweglich. Sie können von einem Atom zum anderen wandern, bis auch sie schließlich von einem Kristallbereich mit positivem Ladungsüberschuß eingefangen werden. Solche Störstellen bilden lokalisierte Niveaus dicht unterhalb des Leitungsbandes.

Das eingefangene Elektron kann jedoch durch Zuführung von thermischer Energie erneut ins Leitungsband gelangen und dann mit dem in der Nähe des Aktivatorions lokalisiertem Loch rekombinieren. Dieser Prozeß ist mit der Emission der Lumineszenzstrahlung verbunden (Rekombinationslumineszenz). Nach Beendigung der Anregung kann die fortgesetzte Befreiung von Elektronen aus den Haftstellen und ihre Rekombination mit Defektelektronen als Nachleuchten (Phosphoreszenz) beobachtet werden.

Das Emissionsspektrum wird durch die Lage der Energieniveaus der Aktivatorzentren bestimmt.

4.1.2. Seltenerdaktivierte Röntgenleuchtstoffe

Abbildung 10

Abbildung 10: Termschema von terbiumdotierten (Tb3+) Leuchtstoffen. Die intensivsten Linien liegen bei 385 nm, 418 nm, 437 nm, 492 nm, 546 nm, 588 nm und 623 nm (von links nach rechts). Die Intensität der Linien ist leuchtstoffabhängig.

Zu den wirkungsvollsten Röntgenluminophoren gehören Pb2+-, Eu2+- und Tb3+-aktivierte Systeme [3, 10]. Bei ihnen erfolgen die für die Lumineszenz verantwortlichen Übergänge zwischen unterschiedlichen Energieniveaus innerhalb des Aktivatorions; man spricht von direkter Aktivierung.

Terbiumaktivierte Oxisulfid-Leuchtstoffe besitzen hohe Röntgenlumineszenzausbeuten [10]. Die Emissionsspektren der Tb3+-aktivierten Oxisulfide bestehen aus zahlreichen Liniengruppen, die Übergängen von den 5D3- bzw. 5D4-Anregungsniveaus des Tb3+ zum 7FJ-Grundtermmultiplet zugeordnet werden können [10].

Bei relativ niedriger Aktivatorenkonzentration (<0,5%) dominieren im Falle des Y2O2S:Tb3+ die 5D3-7FJ-Übergänge. Beim Gd2O2S:Tb3+ sind die im grünen Spektralbereich anzutreffenden 5D4-7FJ-Übergänge bereits bei relativ niedrigen Aktivatorkonzentrationen vorherrschend.

Das Tb3+-Aktivatorion besitzt acht 4f-Elektronen, also eines mehr als zum Aufbau der relativ stabilen 4f7-Konfiguration erforderlich sind, und geht deshalb unter Abgabe eines Elektrons (Einfang eines Defektelektrons ℎ+) relativ leicht in den Tb4+-Zustand über. Bei der anschließenden Rekombination entsteht erneut ein Tb3+-Ion, das die Rekombinationsenergie absorbiert und in einen angeregten 5D4-Zustand übergeht. Die Lumineszenz erfolgt dann beim Übergang vom 5D4-Zustand in den 7FJ-Grundzustand (J = 0, 1, …, 6):

\[\ce{ Tb^3+ + ℎ+ + e- -> Tb^4+ + e- -> Tb^3+(^5D4) -> Tb^3+(^5F_J) + ℎ ν }\]

Das Emissionsspektrum der 5D4-7FJ-Übergänge zeigt ein Maximum bei λ = 545 nm.

4.2. Auswahl eines Leuchtstoffs

Im Bereich langwelliger Röntgenstrahlung unterscheiden sich die verschiedenen Röntgenleuchtstoffe hinsichtlich ihrer Röntgenstrahlabsorption nur wenig voneinander [10]. Für die Auswahl eines geeigneten Leuchtstoffs sind dann vor allem zwei grundlegende Kriterien wesentlich: diese sind die Energieausbeute der Röntgenlumineszenz und die spektrale Anpassung an den verwendeten Strahlungsempfänger.

4.2.1. Konversionsvermögen und spektrale Übereinstimmung

Der Leuchtstoff sollte erstens einen hohen Konversionswirkungsgrad aufweisen. Dieser spiegelt seine Fähigkeit wieder, sichtbare Photonen aus einer gegebenen Menge absorbierter Röntgenstrahlenergie zu produzieren. Analog zum Quantenwirkungsgrad (Gleichung 6) ist der Konversionswirkungsgrad definiert als der Bruchteil der Photonenenergie, welche pro absorbiertem Röntgenquant in Form von Lumineszenzquanten generiert wird [3]:

\[ \eta_\mathrm{lum} = \frac{E_\mathrm{lum} ~ \overline{n_\mathrm{lum}}}{E_x   \overline{n_x}} \]

\(\eta_\mathrm{lum}\) = Konversionswirkungsgrad (Energieausbeute der Lumineszenz)
\(E_\mathrm{lum}\) = Photonenenergie des Lumineszenzlichts
\(E_x\) = Energie eines Röntgenphotons
\(\overline{n_\mathrm{lum}}\) = mittlere Anzahl der Lumineszenzphotonen
\(\overline{n_x}\) = mittlere Anzahl der einfallenden Röntgenphotonen.

Zweitens sollte eine gute spektrale Übereinstimmung zwischen dem Emissionsspektrum des Leuchtstoffs und der spektralen Empfindlichkeit des Detektors gewährleistet sein. Zur Bestimmung des im Folgenden definierten Wirkungsgrads der Übereinstimmung ηK ist es im allgemeinen notwendig, das Emissionsspektrum des Leuchtstoffs detailliert zu kennen:

\[ \eta_\mathrm{K} = \frac{\int_0^\infty{\Phi}'(\lambda) \cdot {QY}'(\lambda)\ \mathrm{d}\lambda}{\int_0^\infty{\Phi}'(\lambda)\ \mathrm{d}\lambda} \]

\(\eta_\mathrm{K}\) = Wirkungsgrad der Übereinstimmung
\({\Phi}'\) = auf Maximum normierter spektraler Strahlungsfluß des Leuchtstoffs Φ’(λ) = Φ(λ)/Φmax
\({QY}'\) = auf Maximum normierte spektrale Empfindlichkeitsverteilung (Quantenertrag) des Detektors (QY’(λ) = QY(λ)/QYmax)
\(\lambda\) = Wellenlänge.

Der Gesamtwirkungsgrad ηges des Detektorsystems ergibt sich aus dem Produkt des Konversionswirkungsgrads ηlum und des Wirkungsgrads der Übereinstimmung ηK zu ηgesηlum ⋅ ηK .

 Leuchtstoffλlum,max [nm]ηlum
BaSO4:Pb2+3500,045
{Sr0,9, Ba0,1}SO4:Eu2+3800,08
BaFCl:Eu2+3850,12
CsI:Na+4050,19
Ba3(PO4)2:Eu2+4150,06
Y2O2S:Tb3+4180,12
CaWO44250,06
LaOBr:Tb3+4370,11
ZnS:Ag+4500,20
{Zn0,60, Cd0,40}S:Ag+5300,20
{Zn0,55, Cd0,45}S:Ag+5400,19
CsI:Tl+5400,18
Gd2O2S:Tb3+5450,19
La2O2S:Tb3+5480,09
 
Tabelle 5: Einige Röntgenleuchtstoffe relativ hohen Konversionswirkungsgrads mit Wellenlängen des Lumineszenzlichts im Sichtbaren. (aus [10])

Für eine zügige, grobe Abschätzung, welcher Röntgenleuchtstoff in Verbindung mit dem CCD geeignet ist, soll es hier allerdings genügen, lediglich das Produkt aus dem Konversionswirkungsgrad ηlum mit dem Quantenertrag QY des Detektors bei der Wellenlänge des Emissionsmaximums zu betrachten ηprodηlum ⋅ QY(λlum,max). Zur Vorauswahl werden Leuchtstoffe gewählt, deren Emissionsmaximum in einem Wellenlängenbereich liegt, in dem der CCD einen hohen Quantenertrag hat, hier also im Roten. In der Literatur werden allerdings hauptsächlich solche Leuchtstoffe diskutiert, die in ihrer Lumineszenz an das menschliche Auge angepaßt sind und daher vorwiegend im Grünen leuchten.

Die Tabelle 5 führt einige Röntgenleuchtstoffe samt den Wellenlängen des Emissionsmaximums auf. Die angegebenen Konversionswirkungsgrade gelten für Leuchtstoffpulver.

Wie aus Abbildung 11 zu entnehmen ist, liegt der Produktwirkungsgrad ηprod aller berücksichtigten Leuchtstoffe unterhalb von 5%, nur bei wenigen ist er akzeptabel hoch. Insbesondere erscheinen aber Gd2O2S:Tb3+, die {Zn, Cd}S:Ag+-Verbindungen sowie La2O2S:Tb3+ als die am besten geeignetsten Kandidaten.

Abbildung 11

Abbildung 11: durchgezogene Linie: Quantenertrag des CCD (aus [59]); Punkte: Produkt des Konversionswirkungsgrads einiger Leuchtstoffe und dem Quantenertrag des CCD in Abhängigkeit der Photonenenergie.

4.2.2. Experimentelle Untersuchung verschiedener Röntgenleuchtstoffe

In der Literatur stammen die Ergebnisse der Untersuchungen zum Lumineszenzverhalten überwiegend aus Messungen bei höheren Photonenenergien (mit einigen keV), die jedoch im allgemeinen nicht auf die Anregung mit weicher Röntgenstrahlung übertragbar sind [10]. Aus diesem Grund wurden eigene Messungen des in diesem Zusammenhang interessierenden Produktwirkungsgrads einzelner Leuchtstoffe in Verbindung mit einem CCD vorgenommen.

Zu dieser Bestimmung wurden nach obiger Vorauswahl vier verschiedene Leuchtstoffe gewählt, um die endgültige Entscheidung zu treffen. Röntgenleuchtstoffe gibt es unter anderem in kristalliner Form oder pulverförmig (aus kleinen Kristalliten bestehend). Ein Kristallplättchen verhält sich jedoch wie ein Lichtleiter. Die an einem Ort erzeugten Lumineszenzquanten verlassen den Kristall im allgemeinen an einem anderen Ort. Bei der gewünschten Ortsauflösung des Detektors ist daher nur ein Pulver zweckmäßig. Die vier folgenden Leuchtstoffe sind aus diesem Grunde pulverförmig.

  • Gd2O2S:Tb (TEPAC Nr. B43-02, Artikel Nr. 54214, Muster Nr. 4669), mit einem Dotierungsgrad von c(TbO2)/c(GdO2) = 0,015 und einer Korngröße von 3 µm (rms)

  • {Zn, Cd}S:Ag (Typbezeichnung “LUMILUX® Green R”, Artikel Nr. 53001), mit einer Korngrößenverteilung von 95% < 49,5 µm, 50% < 29,2 µm, 5% < 14,5 µm

  • Y2O2S:Tb (Typbezeichnung “LUMILUX® White RY”, Artikel Nr. 53045), mit einer Korngrößenverteilung von 95% < 18,5 µm, 50% < 9,5 µm, 5% < 4,7 µm

  • Y2O2S:Eu (TEPAC Nr. P22, Typbezeichnung “LUMILUX® Red FFL”, Artikel Nr. 53006), mit einer Korngrößenverteilung von 95% < 13,5 µm, 50% < 7,3 µm, 5% < 2,5 µm

von der Firma Riedel-de Haën. Der letztgenannte Leuchtstoff wurde hinzugenommen, da er wegen seiner Europiumdotierung im Roten leuchtet (bei λ = 625 nm) [23]. Der Konversionswirkungsgrad bleibt gegenüber Y2O2S:Tb gleich. Er stellt daher in Verbindung mit einem CCD einen erhöhten Produktwirkungsgrad in Aussicht.

4.2.2.1. Versuchsaufbau

Abbildung 12

Abbildung 12: Zur Vergleichsmessung einiger Röntgenleuchtstoffe sind diese auf einem Glasträger aufgebracht. Die Lumineszenzerscheinung bei Bestrahlung mit Röntgenlicht wird mit einer CCD-Kamera aufgenommen.

Von der Firma Proxitronik wurde jeweils die feinste zur Verfügung stehende Korngröße dieser Leuchtstoffe ausgesiebt und auf ein Schauglas auf einer Fläche mit ca. 22 mm Durchmesser aufsedimentiert. Zur flächendeckenden Beschichtung sind zwei bis drei Lagen erzeugt worden, so daß die dabei entstandenen Schichtdicken das Zwei- bis Dreifache der Korngröße betrugen. Das Glas selber bestand aus Tempax, welches laut Herstellerangaben für den gesamten Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts zwischen λ = 400 nm und λ = 700 nm gleichmäßig transparent (Transmissionsvermögen 90%) und für Wellenlängen unterhalb von 300 nm vollständig undurchlässig ist.

Als Quelle für die Röntgenstrahlung diente hier die Pinchplasmaanlage NIXE III. Es handelt sich dabei um dieselbe Röntgenquelle, die mit dem in dieser Arbeit konzipierten Detektor vermessen werden soll. Der Leuchtstoff wird also in diesem Auswahlverfahren mit eben der Wellenlängenkomposition bestrahlt, wie später im Einsatz des Detektors. Die Quelle ist mit einem Zonenplattenspektrometer (siehe Abbildung 12) auf die Leuchtstoffschicht projiziert worden. Eine Vanadiumfolie filtert das höherenergetische Rekombinationskontinuum der Strahlungsquelle aus. Eine in den Strahlengang gebrachte Punktblende blendet das nicht gebeugte Licht (nullte Ordnung) aus.

4.2.2.2. Messung und Ergebnisse

Abbildung 13

Abbildung 13: Intensitätsverteilung des Lumineszenzbilds der Zonenplattenabbildung der Quelle. Verwendeter Phosphor: Y2O2S:Eu. Integriert über fünf Röntgenpulse.

Das Bild der Quelle auf dem Leuchtschirm wurde unvergrößert mit der CCD-Kamera Star I aufgenommen. Für jeden Leuchtstoff entstanden fünf Aufnahmen in denen jeweils über fünf Röntgenpulse integriert wurde. Über das Emissionsprofil wurde die Summe aller Zählimpulse (counts) gebildet (ncts = ∑x,y ncts(x,y)). Die Mittelwerte dieser Summen aus den jeweils 5 Messungen pro Phosphor sind in Tabelle 6 (jeweils auf Gd2O2S:Tb normiert) in Relation zueinander gestellt. Der Leuchtstoff Y2O2S:Eu ragt in seiner Produkteffizienz ein wenig heraus, gefolgt von Gd2O2S:Tb. Die beiden anderen Leuchtstoffe stellen sich als nicht so effizient dar. In Tabelle 6 wird noch der Vergleich der gemessenen Produktwirkungsgrade zu den aus Tabelle 5 berechneten Werten angestellt.

Die tatsächlichen Werte weichen von den berechneten ab. Es besteht also ein Unterschied in der Bestimmung des Wirkungsgrads dieser Leuchtstoffe bei niedrigen oder hohen Photonenenergien. Auch ist die Tendenz nicht eindeutig, während Y2O2S:Tb und Y2O2S:Eu relativ zu Gd2O2S:Tb einen niedrigeren Wirkungsgrad aufweisen als berechnet, liegt der von {Zn, Cd}S:Ag höher als erwartet.

Produktwirkungsgrade
Leuchtstoffberechnetgemessen
Gd2O2S:Tb1,001,00
{Zn, Cd}S:Ag0,99 0,63
Y2O2S:Eu0,601,02
Y2O2S:Tb0,220,76
 
Tabelle 6: Die gemessenen Produktwirkungsgrade (hier auf Gd2O2S:Tb normiert) der vier vermessenen Röntgenleuchtstoffe weichen ohne erkennbare Tendenz von den aus Literaturwerten berechneten ab.

4.2.3. Entscheidung für Gd2O2S:Tb

Obwohl Y2O2S:Eu einen geringfügig höheren Produktwirkungsgrad besitzt als Gd2O2S:Tb, besteht in der hier geplanten konkreten Anwendung ein wesentlicher Nachteil in der recht großen Korngröße von bis zu 13,5 µm bei Y2O2S:Eu. Die Pixel des zu beschichtenden CCDs würden mit so großen Körnern weniger homogen bedeckt, so daß mit einem höheren Bildrauschen zu rechnen wäre. Mehrere Schichten übereinander gewährleisteten zwar eine homogenere Bedeckung, jedoch könnte aufgrund von “Übersprech”-Effekten das Bild verwaschen werden, die Ortsauflösung wäre damit eingeschränkt. Dieses Kriterium wird für den letztlich gewählten Leuchtstoff Gd2O2S:Tb3+ im folgenden Abschnitt behandelt.

4.3. Beschichtung eines CCD mit einem Röntgenleuchtstoff

4.3.1. Bedeutung der Schichtdicke

Zunächst wird die Dicke der auf den CCD zu bringenden Leuchtstoffschicht abgeschätzt. Den wichtigsten Aspekt stellt hier der Strahlenschutz dar. Nur eine lückenlose Bedeckung des CCD mit dem Leuchtstoff gewährleistet, daß die Röntgenstrahlung den CCD nicht direkt treffen kann. Da die Leuchtstoffpulver aus kleinen (2‑20 µm), grob kugelförmigen Kristalliten bestehen, würde eine Monolage des Leuchtstoffs Freiräume belassen, so daß sie keinen flächendeckenden Schutz bietet. Es sind demzufolge mehrere Lagen des Leuchtstoffs aufzusedimentieren. Um eine ausreichende Strahlungshärtung zu erzielen, muß die Schicht hinreichend dick sein.

Andererseits kann Lumineszenzlicht, das in den oberen Lagen der Leuchtstoffschicht generiert wird, Pixel treffen, welche nicht in gerader Linie unterhalb des entsprechenden Korns liegen. Dieser “Übersprech”-Effekt entspricht mathematisch einer Faltung der örtlichen Intensitätsverteilung mit einer Filterfunktion endlicher Breite. Infolge Propagation der Wellen verstärkt sich dieser Effekt mit zunehmender Schichtdicke und führt zu einer Reduktion des räumlichen Auflösungsvermögens.

Zwischen den beiden konträren Anforderungen, einerseits eine möglichst dicke, andererseits eine möglichst dünne Schicht aufzubringen, gilt es, einen Kompromiß zu finden. Dazu werden im Folgenden die Eindringtiefe von Röntgenstrahlen im Leuchtstoff sowie der Einfluß der Schichtdicke auf das Auflösungsvermögen diskutiert.

4.3.2. 1/e-Tiefe

Die Absorption elektromagnetischer Strahlung in Materie wird durch ein Absorptionsgesetz beschrieben:

\[ I = I_0 ~ \mathrm{e}^{-\mu x} \]

\(I\), \(I_0\) = Intensität nach bzw. vor der Absorption
\(\mu\) = Absorptionskoeffizient
\(x\) = Absorptionsstrecke.

Die 1/e‑Tiefe gibt die Schichtdicke an, nach der die Intensität I der Strahlung auf 1/e (= 36,79%) der eintreffenden Intensität I0 zurückgegangen ist. In Abbildung 14 ist die 1/e‑Tiefe für Gd2O2S:Tb3+ gegenüber der Photonenenergie aufgetragen. Höherenergetische Strahlung dringt tiefer in den Leuchtstoff ein, die 1/e‑Tiefe nimmt zu. An den Absorptionskanten wird die Strahlung stärker absorbiert, wodurch dort die 1/e‑Tiefe sprunghaft zurückgeht. Bei einer Photonenenergie von Eγ = 500 eV beträgt sie etwa 0,2 µm. Bei höheren Photonenenergien um ca. 3 keV, die durchaus in der Rekombinationsstrahlung der Pinchplasmaröntgenquelle vorkommen, beträgt die 1/e‑Tiefe allerdings schon 1 µm. Die mindest notwendige Schichtdicke liegt demnach deutlich über diesem Wert.

Der Leuchtstoff ist aus produktionstechnischen Gründen nur in einer Körnung von mindestens 3 µm (rms) zu erhalten. Bei zwei bis drei Lagen, die zur flächendeckenden Beschichtung notwendig sind (s. o.), beträgt die tatsächliche Schichtdicke demnach mindestens 6 µm. Wie aus dem Diagramm für die 1/e‑Tiefe zu entnehmen ist, ist der CCD dadurch ausreichend geschützt. Nur noch ein Bruchteil von ca. 10-13 der einfallenden Strahlung durchdringt diese Schicht. Selbst härtere Röntgenstrahlung mit Photonenenergien um 3 keV wird zu 95% absorbiert.

Abbildung 14

Abbildung 14: 1/e‑Tiefe für den Leuchtstoff Gd2O2S:Tb in Abhängigkeit von der Photonenenergie. Photonen der Energie von 500 eV werden zu ca. 63% (= 1 - 1/e) in den ersten 0,2 µm absorbiert. (Absorptionskoeffizienten aus [14])

4.3.3. Einfluß auf das Ortsauflösungsvermögen

Es ist jetzt noch zu prüfen, welchen Einfluß eine 6 µm dicke Schicht des Leuchtstoffs auf das Ortsauflösungsvermögen des CCD hat. Wie anhand der Betrachtung der 1/e‑Tiefe ersichtlich wird, absorbieren die Leuchtstoffkörner den überwiegenden Teil der Strahlung in den obersten Schichten. Durch die Lumineszenz, welche an den aktivierten Farbzentren stattfindet, wird sichtbares Licht in die gesamte Hemisphäre (4p) ausgesandt.

Das hat zur Folge, daß von diesem Licht nicht nur der direkt unterhalb des Korns liegende Pixel getroffen wird, sondern ebenfalls benachbarte Pixel. Abbildung 15 zeigt jedoch, daß, wenn sich das leuchtende Korn in einer Höhe von 6 µm in der Mitte über einen Pixel befindet, die Bestrahlung direkt angrenzender Nachbarpixel nur noch 2% beträgt. Die dadurch zu erwartende Verminderung des Bildkontrasts kann mit der Modulationsübertragungsfunktion abgeschätzt werden.

Abbildung 15

Abbildung 15: Übersprechverhalten einer 6 µm dicken Leuchtstoffschicht, die in ihrer obersten Lage ein Lumineszenzquant entläßt auf einen CCD mit einer Pixelbreite von 23 µm.

Zur Berechnung der MTF wird allgemein ein raum- und zeitinvariantes System angenommen. Aufgrund seiner diskreten Pixelstruktur ist ein CCD jedoch nicht rauminvariant. Nach dem Shannon-Theorem ist daher die oberste Grenze für die Reproduktion einer Ortsfrequenz durch die Nyquistgrenze gegeben: fN = 1/(2Δx) (mit Δx = Pixelbreite) [25]. Die MTF geht an dieser Grenze gegen Null. Auch der Leuchtstoff alleine unterliegt aufgrund seiner körnigen Struktur diesem Limit.

Nach einem in [49] beschriebenen Verfahren, die MTF diskreter Systeme zu berechnen, ist für den CCD, den Leuchtstoff und für den leuchtstoffbeschichteten CCD die MTF in Abhängigkeit der Ortsperiode abgeschätzt worden. Dabei wurde von einer 6 µm dicken Schicht des Leuchtstoffs mit einer Korngröße von 3 µm ausgegangen, die Pixelbreite des CCD wurde mit 23 µm zu Grunde gelegt. Wie aus Abbildung 16 zu entnehmen ist, verschlechtert sich durch eine solche Leuchtstoffschicht das Ortsauflösungsvermögen bei einer MTF von 0,5 von ca. 50 µm auf ca. 70 µm. Demnach können Ortsperioden unterhalb von λx ≫ 35 µm mit dem beschichteten CCD nicht mehr aufgelöst werden (“detector cut-off”).

Abbildung 16

Abbildung 16: Modulationsübertragungsfunktion für die 6 µm dicke Leuchtstoffpulverschicht, den CCD und den leuchtstoffbeschichteten CCD in Abhängigkeit der Ortsperiode.

4.3.4. Zu erwartende Empfindlichkeit

Abschließend wird abgeschätzt, wieviel Elektronen-Loch-Paare bei dem Einfall eines Röntgenphotons der Energie Ex auf einen auf solche Weise beschichteten CCD im Mittel zu erwarten sind: Unter der Annahme, daß das Röntgenphoton vollständig im Leuchtstoff absorbiert wird (Absorption αphos = 1) und daß das Lumineszenzlicht vollständig die poly-Silizium- und die Siliziumdioxidschicht durchdringt (Transmission τ = 1), erhält man folgende Anzahl:

\[ \overline{n_\mathrm{ehp}} = \frac{1}{2} \eta_\mathrm{lum} \frac{E_\mathrm{x}}{E_\mathrm{lum}} \overline{n_\mathrm{x}} \]

\(\overline{n_\mathrm{ehp}}\) = mittlere Anzahl der im CCD erzeugten Elektronen-Loch-Paare
\(\eta_\mathrm{lum}\) = Konversionswirkungsgrad des Leuchtstoffs
\(E_\mathrm{x}\) = Energie der Röntgenphotonen
\(E_\mathrm{lum}\) = Energie der Lumineszenzphotonen
\(\overline{n_\mathrm{x}}\) = mittlere Anzahl der einfallenden Röntgenphotonen

Der Faktor ½ spiegelt die Nutzung des gesamten Halbraums hinter der Leuchtstoffschicht wieder. Die Mindest-Photonenenergie, um den beschichteten CCD als Detektor zu betreiben, beträgt 4,6 eV (Bandlückenenergie des Leuchtstoffs). Damit ist dieses Konzept prinzipiell auch im Ultravioletten einsetzbar.

Unter der Annahme, daß der in Tabelle 5 für Gd2O2S:Tb genannte Wert des Konversionswirkungsgrads von ηlum = 0,19 auch in dem Spektralbereich weicher Röntgenstrahlung gültig ist, ergibt sich eine Anzahl von ca. 10 Elektronen pro Photon der Energie 500 eV.

4.3.5. Fazit

Eine Schicht des pulverförmigen Röntgenleuchtstoffs Gadoliniumoxosulfid in der Dicke von 6 µm, die unmittelbar auf den CCD aufgebracht wird, erfüllt die Anforderungen nach Strahlenschutz bei gleichzeitigem Erhalt des detektierbaren Signals. Die maximale Photonenenergie für ein solches System wird durch die Schichtdicke des Leuchtstoffs bestimmt. Sobald wieder Röntgenquanten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit durch den Phosphor transmittiert werden, wie es ab Photonenenergien von einigen keV erfolgt, ist auch wieder mit Strahlenschäden im CCD zu rechnen. Der Einfluß der Leuchtstoffschicht auf die MTF des Detektorsystems und damit auf das Ortsauflösungsvermögen ist im Rahmen dieser Arbeit akzeptabel.