1. Einleitung

Der Spektralbereich der weichen Röntgenstrahlung, der elektromagnetische Strahlung mit Photonenenergien zwischen 40 eV und 6 keV und damit den Wellenlängenbereich zwischen 30 nm und 0,2 nm umfaßt, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sowohl Quellen als auch Optiken sind für schmalbandige weiche Röntgenstrahlung verfügbar. Anwendungen bestehen in der Festkörper-, Oberflächen- und Plasmaphysik, sowie in der Atom- und Molekülphysik, aber auch in der Umweltanalytik, der Röntgenmikroskopie und der Röntgenlithographie. Typische Verfahren sind die Photoelektronenspektroskopie, die Reflexions- und Absorptionsspektroskopie, die Photoionisationsspektroskopie und die Röntgenfluoreszenzanalyse. Auch astrophysikalische Untersuchungen werden zunehmend in diesem Spektralbereich durchgeführt.

In dieser Arbeit wird ein Detektor für den Spektralbereich der weichen Röntgenstrahlung konzipiert und experimentell charakterisiert. Die Anforderung an einen zweidimensional ortsauflösenden Detektor wird besonders am Beispiel der Röntgenmikroskopie deutlich.

Zum Studium biologischer Proben dient vorwiegend Strahlung innerhalb des sogenannten Wasserfensters, das von den Absorptionskanten des Kohlenstoffs und des Sauerstoffs, den beiden Hauptbestandteilen biologischen Gewebes, bei λ = 2,2 nm bzw. λ = 4,4 nm begrenzt wird (282 eV ≤ ℎν ≤ 564 eV) [20, 50].

Ein Detektor weicher Röntgenstrahlung sollte demnach in der Lage sein, zumindest Photonen, die energetisch im Wasserfenster liegen, nachzuweisen.

Der Wellenlängenbereich der weichen Röntgenstrahlung, mit Photonenenergien unterhalb von 1 keV, stellt sich wegen der in diesem Spektralbereich hohen Absorption in Materie als problematisch dar. Viele Detektoren besitzen ein Eintrittsfenster oder eine Schutzschicht, welche solch niederenergetischen Röntgenquanten schon absorbiert, bevor sie detektiert werden können. Derartige Detektoren, wie beispielsweise Gasdetektoren, werden deshalb - neben der Detektion von Elementarteilchen in der Hochenergiephysik - vorwiegend zum Nachweis harter Röntgenstrahlung benutzt.

Ein zweidimensional ortsauflösender Detektor kann als bildgebender Empfänger in Röntgenmikroskopen dienen. Die maximal erzielbare Auflösung von Röntgenmikroskopen wird von den optischen Elementen (beispielsweise Spiegeln, Multi-Layer-Systemen oder Zonenplatten) bestimmt und liegt derzeit bei etwa ΔxObjekt ≈ 24 nm [54]. Die Größe des Mikroskops wird neben der Optik im wesentlichen von dem Ortsauflösungsvermögen des verwendeten Detektors bestimmt:

\[ b = \frac{2r_n^2}{n \lambda} \cdot \frac{\Delta x_\mathrm{Detektor}}{\Delta x_\mathrm{Objekt}} \]

\(b\) = Bildweite
\(\lambda\) = Wellenlänge des Röntgenlichts
\(r_n\) = Radius der n-ten Zone der Zonenplatte
\(\Delta x_\mathrm{Detektor}\) = Ortsauflösungsvermögen des Detektors
\(\Delta x_\mathrm{Objekt}\) = auflösbares Detail im Objekt

Röntgenmikroskope im Labormaßstab, mit Formaten in der Größenordnung von Metern, benötigen demnach Detektoren mit einem Ortsauflösungsvermögen in der Größenordnung von ΔxDetektor ≈ 64 μm 1 oder ca. 16 Linien/mm.

Zum Studium der für die Mikroskopie notwendigen Quellen weicher Röntgenstrahlung ist zum Beispiel die zeitintegrierte Brillanz (≡zeitintegrierte spektrale Strahldichte) eine bestimmende Größe. Sie ist als die pro Wellenlängenintervall von der Quellflächeneinheit in die Raumwinkeleinheit abgegebene Strahlungsmenge definiert:

\[ L_\lambda := \frac{\partial^3 Q}{\partial\Omega ~ \partial\lambda ~ \partial{A} \cos\epsilon} \]

\(L_\lambda\) = zeitintegrierte Brillanz, zeitintegrierte spektrale Strahldichte
\(Q\) = Strahlungsmenge, Gesamtenergie der Strahlung
\(\partial\Omega\) = Raumwinkelelement
\(\partial\lambda\) = Wellenlängenintervall
\(\partial A\) = Quellflächenelement
\(\epsilon\) = Winkel zwischen der Flächennormalen und der Strahlrichtung.

Zur gleichzeitigen Bestimmung des Quellflächenelements und des Wellenlängenintervalls ist ebenfalls ein zweidimensional ortsauflösender Detektor zweckmäßig.

Eine wesentliche Bedeutung kommt der Ermittlung des Einflusses verschiedener Betriebsparameter auf die zeitintegrierte Brillanz von Röntgenquellen zu, die in Relation zueinander gestellt werden sollen. Zum Vergleich der zeitintegrierten Brillanz von Quellen, die mit verschiedenen Detektoren absolut vermessen wurden, ist es darüber hinaus erforderlich, den Detektor zu kalibrieren. Eine Kalibrierung ist ebenfalls erforderlich, wenn beispielsweise aus Linienverhältnissen eines aufgenommenen Spektrums Plasmaparameter (wie z. B. Temperatur oder Dichte) bestimmt werden sollen.

Als Strahlungsquellen für die Röntgenmikroskopie dienen beispielsweise Pinchplasmen [19, 40, 47], gepulste Quellen schmalbandiger Röntgenstrahlung mit hoher spektraler Strahldichte. Die typische Emissionsdauer liegt im Bereich einiger Nanosekunden. Während der Emission liegt die spektrale Strahldichte in den intensivsten Linien über der von Elektronensynchrotrons [6, 31, 32]. Die Röntgenspektren bestehen vorwiegend aus Linienstrahlung. Die Linien von beispielsweise wasserstoff- und heliumähnlicher Stickstoffionen liegen mit 2,4781 nm (N VII 1s-2p), 2,4898 nm (N VI 1s2-1s3p) und 2,8787 nm (N VI 1s2-1s2p) innerhalb des Wasserfensters.

Messungen der zeitintegrierten Brillanz anderer Röntgenquellen gestatten eine Einordnung der Pinchplasmen relativ zu diesen anderen Quellen. Um systematische Fehler bei Verwendung verschiedener Detektoren (oder Detektortypen) zu umgehen, müssen diese Relativmessungen mit ein und demselben Detektor ausgeführt werden. Das bedeutet, der Detektor muß transportabel sein, wenn es die Quellen nicht sind.

Die sich aus dem Gesagten ergebenden Anforderungen an den Detektor weicher Röntgenstrahlung sind nochmals in der Tabelle 1 zusammengestellt.

Anforderungen an den Detektor
Wellenlängenbereich 2,2 nm < λ < 4,4 nm (Energiebereich 564 eV > Eγ > 282 eV)
zweidimensional ortsauflösend, bildgebend
Ortsauflösung ≥ 16 Linien/mm
kalibrierfähig
langzeitstabil
transportabel
 
Tabelle 1: Anforderungen an den in dieser Arbeit konzipierten Detektor weicher Röntgenstrahlung.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich im wesentlichen in drei Punkte:

  • Auswahl eines Detektortyps: Nach einer kurzen Zusammenstellung verschiedener Detektortypen wird eine Auswahl getroffen, wobei besonderes Augenmerk auf die Ortsauflösung und die Anpassungsfähigkeit des Detektors an den gewünschten Spektralbereich gelegt wird.

  • Anpassung des Detektortyps an den Spektralbereich weicher Röntgenstrahlung: Zur Strahlungshärtung wird ein Röntgenleuchtstoff verwendet. Die Art des Leuchtstoffs wird experimentell und die notwendige Schichtdicke aus theoretischen Überlegungen heraus bestimmt.

  • Charakterisierung und Kalibrierung des Detektorsystems: Die für die angestrebten Relativmessungen wichtigen Kenngrößen des Detektors werden an monochromatisierter Synchrotronstrahlung bestimmt. Dabei wird auch eine Kalibrierung für Photonenenergien, die innerhalb des Wasserfensters liegen, vorgenommen.

Ein kurzer Blick auf den Einsatz des Detektors schließt diese Arbeit ab.